Kaikoura, Christchurch, 26./27. Januar 2020
Heute machen wir uns auf den Rückweg nach Christchurch, denn morgen geben wir Noah am Flughafen ab für seinen Rückflug nach Whitianga zu seiner Gastfamilie. Und den Camper geben wir morgen auch zurück. Aber bevor wir uns auf die fast drei Stunden dauernde Rückfahrt begeben, nutzen wir noch das zweite besondere Phänomen Kaikouras – wir gehen uns einen Wal anschauen.
Kaikoura hat die Besonderheit, ganz in der Nähe der Kanten der Kontinentalplatte Zealandia zu liegen. Hier wird das Meer etwa 9 Meilen vor der Küste 1000 bis 2000m tief. Und dort unten gibt es die giant squids, die eine Leibspeise der sperm whales sind – der Pottwale. Dadurch ist Kaikoura in der Situation, dass das ganze Jahr über Wale gesichtet werden können. Tatsächlich liegt die Wahrscheinlichkeit bei 95%. Wenn man keinen Wal sieht, erhält man 80% der Tourkosten zurück. Und ich wollte schon immer mal einen Wal sehen.
Pottwale werden bis 18m lang. Das ist genauso lang wie das Boot, mit dem wir morgens gegen 10.00 Uhr rausfahren. Und da es ziemlich schnell ist, dauert es keine halbe Stunde, bis wir dort sind wo heute morgen bei der ersten Tour bereits ein Wal gesichtet wurde. Tatsächlich bewegen sich die Wale nicht sehr weit von diesem Punkt weg. Und sie tauchen regelmäßig alle 40-60 Minuten auf, um dann etwa 5-15 Minuten durchzuatmen.
Durch die letzte Tour weiß die Besatzung, dass er gerade vor 40 Minuten das letzte Mal gesichtet wurde und rechnet in den nächsten 20 Minuten damit, ihn zu finden oder auftauchen zu sehen. Man findet Wale, indem man entweder nach der Fontäne Ausschau hält, die sie immer wieder ausstoßen, oder indem man im Wasser auf Klickgeräusche lauscht, die sie aussenden, um sich zu orientieren oder Beute zu finden. Wir sind alle aufgefordert, Ausschau zu halten.
Nach knapp 5 Minuten sehen wir die typische Fontäne des Wales in einiger Entfernung und das Boot macht sich auf, näher ranzukommen. Etwa 100m vor uns liegt der Wal im Wasser. Allerdings sind 2/3 des Wals unter Wasser, insofern sieht man nicht allzuviel. Und bevor wir noch ein bisschen näher rankommen, sieht die Besatzung, dass der Wal sich bereit macht, zu tauchen. Und tatsächlich, mit einem Buckel taucht erst der Kopf ab und dann die Schwanzflosse auf, bevor der ganze Wal entschwindet. Das ganze hat leider keine 5 Minuten gedauert.
Das Wasser hier ist wie verschiedentlich schon erwähnt, ja nicht besonders warm. Männliche Wale haben eine relativ dicke Fettschicht, deshalb macht ihnen das nicht viel aus. Weibliche Wale haben eine deutlich geringere Fettschicht (wieso ist das bei uns anders??), deshalb ist es ihnen in Kaikoura zu kalt (Hä? Uns Mädels ist doch trotzdem kalt!?!). Sie bleiben lieber etwas weiter nördlich in tropischen Regionen, wo das Wasser wärmer ist. Wenn sich die Männchen in der Lage sehen, um die Weibchen ins Rennen zu gehen, begeben sie sich zu ihnen. Die Weibchen paaren sich nämlich nur mit den dominantesten und stärksten Männchen. (So wählerisch sind wir nicht!) So kommt es, dass in Kaikoura nur männliche Wale sind. Und da die alle ausgesprochen verfressen sind, halten sie Abstand zueinander. Deshalb haben wir keine große Chance, einen anderen Wal zu sehen. Aber wir sind ja noch eine Weile da, insofern besteht Hoffnung, dass wir denselben Wal, von der Crew Holy Moly genannt, in ca. 40-60 Minuten nochmal sehen.
In der Zwischenzeit fährt die Kapitänin das Boot in das flachere Wasser und lässt uns Delphine gucken. Und das macht heute interessanterweise genauso viel Spaß wie gestern.
So geht die Zeit relativ schnell rum und schon heißt es: Achtung, der Wal taucht gleich auf! In ganz seltenen Fällen schraubt er sich dann mit seinem ganzen Körper aus dem Wasser und lässt sich wieder fallen. Dann hätte man die ganze Pracht sehen können. Soviel Glück haben wir nicht. Im Gegenteil, Holy Moly taucht in einiger Entfernung langsam auf und unser Boot gibt Speed, um ihn auch wirklich zu sehen. Kaum dreimal geschnauft, taucht er wieder ab. Das Mädel, das uns so viel zu den Prachtkerlen erzählt meint, dass es da unten wohl gerade hoch hergeht und er deshalb wohl schnell wieder runter will.
So ist das Wale sehen leider nicht ganz so eindrucksvoll, wie ich es uns erhofft habe. Aber dafür sehen wir auf der gemütlichen Rückfahrt noch ein paar Albatrosse und zwei Seehunde. Wildlife ist eben unberechenbar und du musst nehmen was du bekommst.
Wieder an Land setzen wir uns in den Camper und fahren nach Christchurch. Unterwegs machen wir noch die restlichen Vorräte platt, weil Chris und ich in Kürze ja keinen Kühlschrank mehr im Gepäck haben. Am späten Nachmittag sind wir dann auf unserem letzten Campingplatz etwas außerhalb von Christchurch.
Küstenausblicke bei der Fahrt nach Christchurch
Ich habe mittlerweile ermittelt, dass in Christchurch gerade das Bread and Circus Festival stattfindet. Das bedeutet Brot und Spiele, wie im alten Rom. Es gibt dabei 4 Spielorte in der Stadt, an denen nach einem im Netz zu findenden Plan Straßenkünstler auftreten. Außerdem gibt es einige Abendveranstaltungen, für die man Tickets kaufen kann. Das will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Also fahren wir mit unserem Camper wieder los in die Innenstadt.
Am Cathedral Square sind wir erstmal geschockt vom Zustand, in dem sich die Kathedrale von Christchurch befindet. Das ist dem Erdbeben geschuldet, das im Februar 2011 Christchurch erschüttert hat und dem noch einige Nachbeben gefolgt sind. Es gab wohl jahrelang Streit, oben man die Kathedrale abreißt oder wiederherstellt, mit Petitionen und Gerichtsverfahren. Erst letztes Jahr gab es wohl die Entscheidung, sie wieder aufzubauen. Genau wie die Kathedrale gibt es noch zahlreiche andere Baustellen oder historische Bauten, die von allen Seiten abgestützt sind und auf ihre Renovierung warten. Dadurch ist unserer erster Eindruck von Christchurch, dass es mehr Baustelle als hübsch ist.
Dafür war Pancho, the Mexican, sehr unterhaltsam anzuschauen und zuzuhören. Er hat sich noch ein bisschen über Trump lustig gemacht: „Liebe Zuschauer, bitte kommt näher, so dass ihr eine Wand um mich rum bildet. Wir Mexikaner brauchen Mauern um uns rum.“
Vorbei am Spiegeltent (Es hieß nicht mirror tent!!! – definitiv von Berlin geklaut), einem temporären weiteren Veranstaltungsort des Festivals sind wir zum Marquet Square. Dort gibt es eine weitere Veranstaltung mit Luftakrobatik direkt vor den Mauern der ehemaligen Christchurch Universität, die ebenfalls erdbebengeschädigt schließen musste und mittlerweile fast vollständig wieder hergestellt wurde. Und die sieht optisch toll aus!
Am nächsten Morgen liefern wir Noah am Flughafen ab. Er ist mittlerweile wieder wohlbehalten im Schoß seiner Gastfamilie gelandet. Und wir haben den Camper gegen einen Toyota Corolla getauscht. Und damit beginnt der letzte Teil unserer Reise.
Nach dem Einchecken im Backpacker-Hostel (Urbantz, zentral aber düster – nicht wirklich zu empfehlen) gehen wir zum Lunch in die hübsche und pittoreske New Regent Street.
Hier fährt auch die historische Straßenbahn vorbei, mit der man im Hop on Hop off – Stil in der Innenstadt im Karree fahren kann. Genau das machen wir, um unsere Füße zu schonen. Und dabei stelle ich fest, dass Christchurch wirklich hübsch ist, trotz vieler Baustellen. Egal ob am Ufer des Avon oder in der renovierten Einkaufsstraße.
Und im Botanischen Garten ist auch Chris mit seiner Liebe für große Bäume angetan.
Nachmittags schauen wir uns weitere Aufführungen der Baskers – der Straßenkünstler an und ich amüsiere mich dabei gut. Chris ist nicht ganz so begeistert, insbesondere als er als großer Mann auch noch die Ehre erhält, um Mithilfe gebeten zu werden. Sowas hasst er. Aber der Artist hat ihm nicht geglaubt, als er auf die Frage, wie groß er ist, mit der Hand etwa einen Meter über den Boden angezeigt hat.
Abends gehen wir noch exorbitant gut essen im asiatischen Crossover-Restaurant Spice Paragon, zu dem wir mit diesen fancy Rollern hinfahren, die überall in der Stadt rumstehen. Das wollte das Kind in uns schon die ganze Zeit machen. Danach kann ich auch darüber hinwegsehen, dass die Wahl der Accommodation ein bisschen zu viel Budget-orientiert war.
Um den 01. Februar rum ist das chinesische Neujahrsfest. Und da in Neuseeland eine Menge Chinesen sind, sind sie hier voll im Thema. Versöhnt mit dem in meinen Augen sehenswerten Christchurch machen wir uns am nächsten Morgen auf, 340km zurück nach Picton zu fahren. Denn dort werden wir mit der Fähre auf die Nordinsel übersetzen.
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